FES-DGB-Vergabetagung 2025

Geschrieben am 17.10.2025
von Tobias Lipser

Unter dem Titel „Tariftreue in der öffentlichen Vergabe – Was lange währt, wird endlich gut?“ hat in Berlin die 9. Vergabetagung von Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) stattgefunden. Für mobifair ist die Konferenz längst zu einem festen Termin im Kalender geworden. In diesem Jahr standen insbesondere das Bundestariftreuegesetz und das Vergabebeschleunigungsgesetz, die derzeit im Bundestag behandelt werden, im Fokus. Darüber hinaus gab es wieder Einblicke in die Praxis, in diesem Fall aus Österreich und Dänemark, und Fachdiskussionen unter Vergabeexperten aus unterschiedlichsten Branchen.

Die hohe und ganz konkrete Bedeutung der oftmals etwas abstrakt erscheinenden Themen Tariftreue und Vergaberecht brachte Martin Schulz, Vorsitzender der FES, bei seiner Begrüßung auf den Punkt: Der Schutz der Arbeitsbedingungen muss ein Ziel der Gesellschaftspolitik sein, auch weil er Teil des Kampfes der Demokratie gegen ihre Zerstörer ist, die von der wachsenden Unzufriedenheit der Menschen profitieren.

Stefan Körzell, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DGB, betonte, dass ein Bundestariftreuegesetz auch den „ehrlichen Handwerker“ schützt und nicht nur große Unternehmen. Gleichzeitig lehnten Teile der Wirtschaft und Politik das Gesetz aus rein ideologischen Gründen ab. Der DGB begrüßt das Gesetz ausdrücklich, jedoch seien an mehreren Stellen Nachjustierungen nötig, so etwa beim Thema Kontrollen. Der jetzige Entwurf sieht nur anlassbezogene Kontrollen vor, keine Stichproben. Körzell verdeutlichte das Problem mit einem Vergleich: Wenn man weiß, dass man auf der Autobahn geblitzt werden kann, hält man sich eher an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Die Blitzer tragen also wesentlich zur Durchsetzung der Vorgaben bei, selbst wenn sie nicht immer und rund um die Uhr aufgestellt sind.

Wie schwierig die Einigung der Regierungsparteien CDU und SPD auf konkrete Inhalte des Bundestariftreue- und des Vergabebeschleunigungsgesetzes ist, wurde bei den Vorträgen von zwei Parlamentarischen Staatssekretärinnen deutlich: Während es dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) v.a. um mehr Schutz der Beschäftigungsbedingungen und die Vermeidung eines weiteren Absinkens der Tarifbindung (derzeit nur noch unter 50%) geht, zielt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) insbesondere auf Bürokratierückbau, Vereinfachung, Beschleunigung und Schutz der mittelständischen Betriebe.

Eine Möglichkeit dafür im SPNV brachte mobifair-Vorstand Dirk Schlömer in einer Wortmeldung ins Spiel: Direktvergaben im Schienenpersonennahverkehr, die als Vergabeverfahren in Deutschland ermöglicht werden müssten. Dazu sucht mobifair auch das Gespräch mit der Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Gitta Connemann. Erste Kontakte sind geknüpft.

Bundestariftreuegesetz und Vergabebeschleunigungsgesetz sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden und zu Beginn des neuen Jahres in Kraft treten. Weitere Maßnahmen zur Tarifbindung seien ebenfalls geplant, so Katja Mast, Parlamentarische Staatssekretärin im BMAS. Dazu gehören ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben für Gewerkschaften und eine Steuerbefreiung von Gewerkschaftsmitgliedsbeiträgen.

Die Stärkung der Tarifbindung war auch Thema einer Diskussionsrunde. Ghazaleh Nassibi von der IG BAU schlug u.a. vor, das Kriterium Tarifbindung in Präqualifizierungsverfahren zu integrieren, Tariftreue als Eignungskriterium im Vergabeverfahren vorzugeben (und nicht nur als Ausführungsbedingung wie derzeit) und nicht nur auf Eigenerklärungen zu setzen.

Ein Einblick in die sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Österreich und Dänemark rundete die Vergabetagung ab. In Österreich trägt eine Tarifbindung von 98% wesentlich zum Schutz der Beschäftigungsbedingungen bei. Dänemark setzt seit 1990 auf die verpflichtende Vorgabe von Tariftreue („labour clauses“ auf Basis der ILO-Konvention Nr. 94) bei Vergaben des Staates. Auch kommunale Besteller sollen künftig dazu verpflichtet werden. Bisher ist dies nur freiwillig.

MARTIN SCHULZ (VORSITZENDER DER FES)

STEFAN KÖRZELL (GESCHÄFTSFÜHRENDES VORSTANDSMITGLIED DES DGB)

KATJA MAST (PARLAMENTARISCHE STAATSSEKRETÄRIN IM BMAS)

GITTA CONNEMANN (PARLAMENTARISCHE STAATSSEKRETÄRIN IM BMWE)

DIRK SCHLÖMER (VORSTAND MOBIFAIR)

SUSANNE WIXFORTH (KAMMER FÜR ARBEITER UND ANGESTELLTE WIEN)

DENNIS SCHNELL-LAURITZEN (FAGBEVAEGELSENS HOVEDORGANISATION, DÄNEMARK)

ANNA-REBEKKA HELMY (MODERATION), GHAZALEH NASSIBI (IG BAU), DR. BURKHARD SIEBERT (BAUINDUSTRIEVERBAND HESSEN-THÜRINGEN), JAN DIEREN (MDB, SPD)