Gewalt ist kein Berufsrisiko

Geschrieben am 07.11.2024
von Tobias Lipser

Leider wird das Thema Sicherheit für Beschäftigte und Fahrgäste meist nur dann in der Öffentlichkeit breiter diskutiert, wenn es wieder einmal einen besonders brutalen Übergriff gegeben hat. Für die Kolleg*innen auf den Zügen und Bussen und an den Bahnhöfen ist es aber immer präsent und es bestimmt ihren Alltag. Die EVG hat sich im Rahmen einer Sicherheitskonferenz in Frankfurt am Main ausführlich dem Thema gewidmet. Eine zentrale Aussage: „Gewalt ist kein Berufsrisiko und darf niemals normalisiert werden.“

Zur Einführung wurden die alarmierenden Ergebnisse der EVG-Sicherheitsumfrage vorgestellt, die gezeigt hat, dass 82% der Bahnbeschäftigten schon einmal einen Übergriff erlebt haben und das Sicherheitsgefühl rapide abnimmt.

Wie insbesondere Betriebsrät*innen mit den zunehmenden Gefahren im Berufsalltag umgehen können, stand im Mittelpunkt der zweitägigen Konferenz. Dazu gehören etwa verschiedene Ansätze, die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz in Verbindung mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz anleiten lassen. So wurde u.a. diskutiert, wie mithilfe von Gefährdungsbeurteilungen Risiken festgestellt und entsprechende Maßnahmen eingefordert werden können, etwa eine Doppelbesetzung mit Zugbegleitpersonal auf Strecken mit hohen Sicherheitsrisiken. Das könne so weit gehen, dass Schichten abgelehnt und in der Folge Züge stehen bleiben, wenn die Sicherheit der Kolleg*innen nicht gewährleistet werden kann. Aber auch über den Einsatz von Bodycams, Melde-Apps und den oftmals komplizierten „Papierkram“ bei der Meldung von Vorfällen wurde ausgiebig diskutiert.

Letztlich sind aber nicht nur die Arbeitgeber in der Pflicht, denn viele sicherheitsrelevante Vorgaben stammen aus Verkehrsverträgen zwischen Unternehmen und öffentlichen Aufgabenträgern. Letztere tragen also ebenfalls eine große Verantwortung und müssen dieser noch viel mehr gerecht werden und Vorgaben machen, die einheitlich von allen Verkehrsunternehmen eingehalten werden müssen. Sonst haben die Unternehmen, die mehr Geld in die Sicherheit der Beschäftigten investieren, einen Wettbewerbsnachteil. Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den Unternehmen teilweise sehr groß. Dirk Schlömer und Christian Gebhardt von mobifair haben daher einen Einblick in aktuelle Ausschreibungsvorgaben gewährt und gezeigt, wo neben der betrieblichen Seite auch politisch Druck gemacht werden muss – und wie dies Betriebsräten, EVG und mobifair gemeinsam gelingen kann.

Einen Blick über den Tellerrand haben zwei Kollegen aus Österreich geliefert und das Konzept der ÖBB gegen Gewalt vorgestellt, das gemeinsam mit dem Konzernbetriebsrat und der Gewerkschaft vida erarbeitet wurde. Außerdem wurde von Kienbaum Consultants über ein Forschungsprojekt zum Thema „Gewalt gegen Bahnbeschäftigte“ informiert, das im Auftrag des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung durchgeführt wird. Dazu wird es ab Januar 2025 auch eine Befragung der Beschäftigten geben.