Meinung: 49 Euro Ticket kommt! Und dann?

Geschrieben am 02.12.2022
von Tobias Lipser

Bundestag und Bundesländer haben sich verständigt. Das 49 Euro Ticket soll als ständiges Angebot Menschen vom Individualverkehr in Busse und Bahnen locken. Es soll bundesweit gültig sein und die Nutzung aller Angebote des Öffentlichen Personennahverkehrs auf der Schiene und der Straße beinhalten.

Für die Nutzer war das 9 Euro Ticket, das von Juni bis August angeboten wurde, ein voller Erfolg. 52 Mio. Tickets wurden verkauft, 20 Prozent Neukunden konnten in den Öffentlichen Nahverkehr gelockt werden, 17 Prozent stiegen vom Auto um und 88 Prozent der Reisenden waren mit dem Angebot zufrieden.

Der Hauptgrund neben dem günstigen Preis war, dass dieses neue System sehr einfach nutzbar war. Jeder, der in einer fremden Stadt schon mal versucht hat, ein passendes Ticket dem Automaten zu entlocken weiß, was damit gemeint ist.

Insgesamt gibt es in Deutschland 133 Verkehrsverbünde mit ebenso vielen Preissystemen und Übergangstarifen wie aus der Kaiserzeit. Die Preisgestaltung selbst, ist ebenfalls undurchschaubar. Günstige Monatskarten sind in manchen Städten bereits ab rund 50 Euro zu erhalten. Kommt man aus dem Umland, dann werden leicht bis über 300 Euro im Monat fällig. Aus Kundensicht ist das 49 Euro Ticket also ein großer Fortschritt.

mobifair sieht jedoch auch die andere Seite. Aus der Sicht unserer Kolleginnen und Kollegen bei Bahn und Bus fällt die Bilanz nämlich nicht so positiv aus. Die Überlastung des Personals wie im Sommer ist dauerhaft nicht möglich. Wenn mit dem 49 Euro Ticket ein ebenso großer Zuwachs an Nutzern erfolgt, dann kann das nur mit deutlich mehr Personal geschehen.

Außerdem muss klar sein, dass ohne Ausbau der Infrastruktur sowie zusätzliche Züge und Busse, der Zuwachs an Reisenden nicht dauerhaft bewältigt werden kann.

Wir sind zudem davon überzeugt, dass Bund und Länder die Kosten für ein solches Ticket viel zu gering ansetzen. 3 Mrd. Euro zusätzlich und eine höhere Dynamisierung der Regionalisierungsmittel, die den SPNV finanzieren, reichen wohl gerade aus, um Inflation, höhere Energiepreise und steigende Löhne zu bezahlen.

Wir sehen die Gefahr, dass Aufgabenträger im SPNV überlegen, Verkehre auszudünnen.

Beim Bus sieht es noch schlimmer aus. In den Städten fahren zumeist Stadtverkehrsbetriebe, deren Verluste von den Städten getragen werden. Steigen diese durch fehlende Fahrgeldeinnahmen, geraten Städte mit leeren Kassen in Bedrängnis. Im ländlichen Raum, deren Einwohner*innen ohnehin wesentlich geringer Vorteile durch das 49 Euro Ticket haben, wird es noch dramatischer. Die Busse finanzieren die Fahrten oft eigenwirtschaftlich durch Ticketpreise und finanzielle Ausgleiche für Schülerverkehre. Nur geringe Verluste bei den Einnahmen führen deshalb zur Rückgabe von Konzessionen. Bei den klammen kommunalen Haushalten werden dann wohl reihenweise Verkehre gestrichen.

Welche Auswirkung das auf die ganze Branche haben wird, darüber darf spekuliert werden. Am Ende sind es jedoch die Beschäftigten, die mit Mehrbelastung oder Arbeitsplatzverlust die Zeche zahlen. Die Kunden werden dann ebenfalls enttäuscht sein, wenn sie mit ihrem günstigen Ticket dann vergeblich auf Busse und Bahnen warten. Die Klimaschutzziele lassen sich so jedenfalls nicht erreichen.