Europa erstickt an falscher Wettbewerbspolitik
Am 18. Januar 2024 fand in Brüssel eine Konferenz zur Situation des Landtransportes in Europa statt. Ausgerichtet wurde die Konferenz vom Dachverband der Verkehrsgewerkschaften in Europa (ETF). Rund 100 Gewerkschafter*innen aus ganz Europa diskutierten mit Vertreter*innen der Europäischen Kommission über den Sachstand und die verkehrspolitischen Ziele der EU.
Georgio Tuti, Vorsitzender der Sektion Schiene in der ETF, schilderte die schwierige Situation im Bereich der Eisenbahnen. Es gibt zu wenig Infrastruktur, zu wenig Personal und zu wenig Investitionen. Als Allheilmittel sieht die EU-Kommission wieder einmal den Wettbewerb. Mit mehr Deregulierung, einer Absenkung von Ausbildungs- und Sprachstandards will man die „Marktattraktivität“ steigern.
Tuti zeigte sich über so viel Unvernunft deutlich verärgert. „Die Europäische Kommission erhebt den Wettbewerb zur Religion!“, so Giorgio Tuti. Er wies darauf hin, dass die Fakten eher eine Schwächung der Schiene gegenüber der Straße durch den Wettbewerb zeigen.
Dirk Schlömer, Vorstand von mobifair und auch Vorsitzender für den Bereich Nahverkehr bei der ETF, unterstrich dies. „Dass Wettbewerb zu besserer Qualität bei sinkenden Kosten führt, ist eine unbewiesene Behauptung der Wettbewerbsverfechter. Die Fakten sprechen eindeutig dagegen“, so Schlömer. Er schilderte die Situation im deutschen Schienennahverkehr (SPNV) und die Pleite von Abellio und Keolis in Deutschland.
Auch im Straßengüterverkehr, der noch immer rund 75% Marktanteil in Europa hat, sieht es düster aus. Es fehlen viele Tausend LKW-Fahrer und die, die es gibt, werden sehr oft mit Dumpinglöhnen und katastrophalen Arbeits- und Sozialbedingungen ausgebeutet. Oftmals sind die Fahrer angeheuert aus Staaten außerhalb der EU und fahren ihre Trucks mit Kennzeichen aus Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien monatelang durch ganz Europa. Es sind die Nomaden der Straße, die wir auch oft an den Wochenenden auf deutschen Rastplätzen stehen sehen. Roberto Parrillo, Vorsitzender für die Sektion Straße in der ETF, mahnt hier mehr Aktivitäten auch der EU-Mitgliedstaaten an: „Die Schutzregelungen der EU laufen wegen fehlender Kontrollen ins Leere, denn die Nationalstaaten ignorieren die Verstöße.“
- Anerkennung des Personenverkehrs auf Straße und Schiene als Dienstleistung im Öffentlichen Interesse;
- Stoppen weiterer Liberalisierungsmaßnahmen bei gleichzeitiger Förderung von Investitionen in die Qualität der Dienstleistungen und der Arbeitsplätze;
- Überarbeitung der Regelungen für staatliche Beihilfen im Schienengüter- und Personenverkehr mit dem Ziel, dass die Mitgliedstaaten diese Sektoren finanziell unterstützen können;
- Maßnahmen für eine bessere Durchsetzung der EU-Vorschriften im Straßenverkehr mit klaren Maßnahmen gegen die Ausbeutung von Berufskraftfahrenden, die insbesondere Drittstaatsangehörige betrifft.