Der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) steht bundesweit im Fokus, leider oft mit Negativschlagzeilen. Verspätungen, Ausfälle, fehlendes Personal und Mängel in der Infrastruktur sind an der Tagesordnung. Ein hochaktueller Themenschwerpunkt also für den 14. Eisenbahnertag der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in Nürnberg. Matthias Birkmann, Geschäftsstellenleiter der EVG in Nürnberg, konnte namhafte Gäste aus Politik und Wirtschaft auf dem Volksfestgelände begrüßen. Auf dem Podium nahmen neben ihm die Vorstandsvorsitzende der DB Regio AG, Evelyn Palla, der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), der EVG-Vorsitzende Martin Burkert und der bayerische DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl Platz.
Stiedl fand zum Einstieg klare Worte. Die Bahn sei seit Jahrzehnten kaputtgespart worden und nun sollten die Beschäftigten das Ganze ausbaden. Gute Ratschläge an die Kolleg*innen könne man sich sparen, stattdessen müsse der Bahnvorstand eine Zukunftsstrategie auf den Tisch legen. Dabei betonte er, dass Kahlschlag keine Strategie sei. Allgemein müssten angesichts der jüngsten Wahlergebnisse von der Politik Lösungen für die Probleme der Menschen gefunden werden. Die Forderung, dass die Beschäftigten länger und härter arbeiten und Lust auf Überstunden haben sollen, sei in Anbetracht der hohen Anzahl der geleisteten unbezahlten Überstunden, eine „Unverschämtheit“. Bernhard Stiedl rief zur Solidarität auf. Es müssten alle Gewerkschaftsmitglieder zusammenrücken, denn „wenn wir solidarisch sind, dann sind wir auch erfolgreich“.
Im Anschluss ergriff Martin Burkert das Wort. Der EVG-Vorsitzende legte direkt den Finger in die Wunde. Tariftreue- und Vergabegesetze seien dringend notwendig und das Bundesland Bayern ist, neben Sachsen, das einzige, das ein solches immer noch nicht eingeführt hat. Unternehmen könnten sich in Bayern auf öffentliche Aufträge bewerben und dabei mit dem gesetzlichen Mindestlohn statt mit ordentlichen Tariflöhnen anbieten. Dieses Versäumnis führe zu Unsicherheit bei den Beschäftigten, die alle 10 bis 15 Jahre mit einer Ausschreibung konfrontiert seien. Verstärkt werde diese Unsicherheit durch die ständig aufkommenden Zerschlagungsdebatten und Ankündigungen von Stellenstreichungen auf Seiten der Deutschen Bahn. Burkert forderte mehr Sicherheit für die Kolleg*innen, in Bezug auf die Zukunftsplanungen, aber auch bei der Arbeit vor Ort. Die Sicherheitsstudie der EVG habe erschreckende Zahlen ans Licht gebracht und diese Zahlen stiegen weiter. Es werde mehr Sicherheitspersonal und Bundespolizei in den Zügen benötigt. Allgemein müsse die Schiene schneller und besser gefördert werden, damit sie wettbewerbsfähig gegenüber der Straße sei und ihren Beitrag zur Verkehrswende leisten könne.
Der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sprach seinen größten Dank und Respekt an die Beschäftigten aus. Er wisse genau, was diese leisteten, um den Betrieb in Gang zu halten. Bernreiter betonte, dass die Finanzierung langfristig gesichert werden müsse, z.B. durch einen Infrastrukturfonds, den die EVG ebenfalls befürwortet. Bestandsverkehre und Werke sollen erhalten bleiben und es dürfe keine Abbestellungen geben. Der bayerische Verkehrsminister wolle die Hand reichen, um die Probleme gemeinsam anzugehen.
Evelyn Palla, Vorstandsvorsitzende der DB Regio AG, lobte ebenfalls die Beschäftigten, die in der aktuell schwierigen Situation den täglichen Betrieb aufrechterhalten. Sie machte deutlich, dass es seitens der DB, keinen Stellenabbau im operativen Bereich geben werde, im Gegenteil. Palla kritisierte die steigende Zahl der Übergriffe. „Jeder einzelne Übergriff ist völlig inakzeptabel und einer zu viel.“ machte sie deutlich und betonte, wie wichtig es sei, dass man mit dem Betriebsrat eine Reihe von Maßnahmen zum Schutze der Arbeitnehmenden ergriffen habe.
Im Anschluss an die Redebeiträge nutzte Dirk Schlömer, Vorsitzender des mobifair-Vorstands, die Gelegenheit, um die über 350 anwesenden Besucher auf die aktuelle mopinio hinzuweisen, die im Festzelt verteilt wurde. Das mobifair-Mitgliedermagazin gibt einen Überblick über die derzeitige Wettbewerbssituation im SPNV. Schlömer wies auf die darin enthaltene Marktuntersuchung hin, die deutlich aufzeige, dass der Wettbewerb im deutschen SPNV nicht mehr funktioniere und noch mehr Wettbewerb keins der derzeitigen Probleme löse. Es gebe im Schnitt nur noch lediglich 1,4 Bewerber auf eine SPNV-Ausschreibung und die meisten Unternehmen gehörten zu einigen wenigen Konzernen, die meisten davon in öffentlichem Eigentum anderer Staaten, hiesiger Bundesländer oder Kommunen. Schlömer forderte, Direktvergaben als reguläre Verfahren zu ermöglichen, um flexibler auf sich ändernde Anforderungen reagieren und die Qualität erhöhen zu können. Europarechtlich seien Direktvergaben möglich, wie die Beispiele anderer Länder mit besser funktionierendem Nahverkehr zeigten, z.B. Österreich. Lediglich das deutsche Recht beschränke Direktvergaben auf wenige Ausnahmefälle. Dies wird mobifair auch in Gesprächen mit Minister Bernreiter und Frau Palla weiter thematisieren. Die Kontaktaufnahme läuft bereits.
