Die mittlerweile fünfte Vergabetagung von Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) und Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Berlin stand unter dem Motto „Tariftreue auf dem Vormarsch? Neues aus dem Bund und aus den Ländern“. Wie sich im Laufe der Veranstaltung mit Vorträgen und Branchenworkshops zeigte, lautet die Antwort darauf wohl: „Ja, aber…“.
Zwar gibt es in vielen Bundesländern wieder Bewegung hinsichtlich Tariftreuegesetzen, v.a. eine Ausdehnung auf Branchen außerhalb des Verkehrsbereichs, wie Prof. Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung zeigte. Praxisbeispiele zur Umsetzung gab es aus dem Saarland und aus Berlin sowohl von Vertreter*innen der Verwaltung als auch von Gewerkschaften. Jedoch ist die Umsetzung in die Vergabepraxis teilweise komplex und langwierig. Aber das sollte auf gar keinen Fall bedeuten, dass man besser auf Tariftreue verzichten sollte, wie es leider immer noch einige Unternehmen gerne hätten, die nur durch möglichst niedrige Preise auf dem Markt agieren wollen. Denn wie Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorbands im DGB, sinngemäß erklärte: Tariftreue und Tarifbindung bedeuten auch höhere Qualität.
Das sollte auch für den Bund gelten, für den noch im Herbst ein erster Gesetzentwurf zu einem Bundestariftreuegesetz aus der Feder des Wirtschaftsministeriums vorgelegt werden soll, unter Mitwirkung des Arbeitsministeriums. Dem Vortrag von Dr. Philipp Steinberg vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz war zu entnehmen, dass aktuell noch viele Fragen offen sind und geklärt werden. Ziemlich sicher ist aber wohl, dass das Gesetz voraussichtlich nur für Vergaben des Bundes gelten und keine Vorgaben für die Länder und Kommunen enthalten soll. mobifair und EVG werden am Ball bleiben, um gemeinsam mit dem DGB zu erreichen, dass das Bundestariftreuegesetz auch wirksame Regelungen zum Schutz der Beschäftigten enthält. Geklärt werden müsste auch, ob das Gesetz dann auch für Vergaben von bundeseigenen Unternehmen wie der Deutschen Bahn gilt.
In einem Fachforum zum Thema „Personalübergang, Tariftreue und Vergaben im Nahverkehr“ haben sich Matthias Pippert (EVG), Andreas Schackert (ver.di), Lothar Schuster (Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz) und Christian Gebhardt (mobifair) mit den Teilnehmer*innen zu den Erfahrungen mit Tariftreue in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und andernorts sowie zum Themen Personalübergang bei Betreiberwechsel ausgetauscht. Bei letzterem ist Rheinland-Pfalz vorbildlich, die Akzeptanz ist dort bei den Aufgabenträgern und Unternehmen sehr groß und die Erfahrung damit weitestgehend positiv. Bundesweit herrscht aber noch großer Nachholbedarf, weil Tätigkeitsgruppen oft nicht einbezogen werden oder es gar keine Verpflichtung zur Personalübernahme gibt, wie es im Busbereich leider immer noch die Regel ist. Das muss sich ändern und dafür setzen sich die DGB-Verkehrsgewerkschaften und mobifair weiterhin ein. Rückenwind gibt ein aktuelles Urteil des EuGH, wonach in vielen Fällen im Nahverkehr auch ohne Übergang von Betriebsmitteln von einem Betriebsübergang auszugehen ist. Allen Aufgabenträgern ist anzuraten, einen Personalübergang für alle betroffenen Beschäftigten vorzugeben, um Rechts- und Kalkulationssicherheit zu schaffen.