Es sollte mittlerweile jedem klar sein, dass die Bahn kaputtgespart wurde. 30 Jahre Bahnreform haben tiefe Spuren hinterlassen, die nun mühsam mit hohen Investitionen und viel Geduld seitens der Kunden und Reisenden wieder ausgebügelt werden müssen. Während die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung und Steigerung der Leistungsfähigkeit der Schiene gegenüber der Straße geplant und organisiert werden – von der Umsetzung noch ganz zu schweigen – macht Bundesverkehrsminister Wissing erneut Ankündigungen, die zeigen, dass er nach wie vor in die falsche Richtung will. FDP-Politiker können wohl nicht anders. Der wirtschaftsliberale Wettbewerbsfetisch scheint ihnen aus allen Poren zu dringen. Doch genau dieser war es, der die Bahn schon einmal ruiniert hat.
Es ist nicht der von Wissing geforderte Wettbewerb auf der Schiene, den wir brauchen, sondern eine starke Schiene, die gegenüber der Straße wettbewerbsfähig ist. Angesichts der vorhandenen und auch notwendigen Kapazitäten zur Umsetzung der Verkehrswende würde eine “Stärkung des Wettbewerbs” bestenfalls zu einer Umverteilung führen, nicht jedoch zu einer Erhöhung der Zahl der beförderten Fahrgäste oder Güter. Selbst eine Verbesserung der Qualität wäre kaum zu erwarten. Im Nahverkehr wird diese durch die Aufgabenträger festgelegt, im Fernverkehr hingegen ist eher eine sinnvolle Kooperation mit anderen großen Bahnen in Europa gefragt, beispielsweise durch den Einsatz von Hochgeschwindigkeits- und Nachtzügen, im Wettbewerb mit dem Flugzeug und nicht etwa eine Ausweitung museumsreifer Verkehre. Im Schienengüterverkehr hat sich bereits eine Reihe privater Unternehmen neben der DB Cargo AG etabliert. Das gemeinsame Ziel muss es in diesem Bereich sein, eine Rückverlagerung von der Straße auf die Schiene zu organisieren und notwendigerweise auch zu subventionieren.
Verkehrsminister Wissing sollte mal über seinen wirtschaftsliberalen Tellerrand hinausschauen und einen Blick nach Großbritannien wagen. Dort ist man bereits wesentlich früher und drastischer in die Liberalisierung gestartet. Dies soll jetzt wieder zurückgedreht werden. Am Ende wäre es doch interessant zu wissen, wieviel all die vergangenen Liberalisierungsträume tatsächlich gekostet haben: Nicht wahr gewordene Wettbewerbsfantasien und verpasste Chancen für eine starke Bahn.